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16.09.2022 16:45:00
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Rosneft-Aktie im Minus: Deutscher Bund übernimmt Anteil an Raffinerien - Rosneft Deutschland unter Treuhandverwaltung
Zur Sicherung des Betriebs der Raffinerie im brandenburgischen Schwedt stellt die deutsche Bundesregierung die Rohölimporteure Rosneft Deutschland (RDG) und die RN Refining & Marketing GmbH unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur.
Mit dem Schritt übernehme die Bundesnetzagentur die Kontrolle über Rosneft Deutschland und damit auch über den jeweiligen Anteil in den drei Raffinerien PCK Schwedt, MiRo (Karlsruhe) und Bayernoil (Vohburg), teilte das Ministerium weiter mit. Die Treuhandverwaltung wird an diesem Freitag wirksam und ist zunächst auf sechs Monate befristet. Die Kosten dafür haben die betroffenen Unternehmen zu tragen. Die Bundesnetzagentur kann damit Mitglieder der Geschäftsführung abberufen und neu bestellen sowie der Geschäftsführung Weisungen erteilen.
Rosneft Deutschland vereint nach Ministeriumsangaben insgesamt rund zwölf Prozent der deutschen Erdölverarbeitungskapazität auf sich und sei damit eines der grössten erdölverarbeitenden Unternehmen in Deutschland. Die deutschen Töchter des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft, RDG und RNRM, führen laut Wirtschaftsministerium jeden Monat Rohöl im Wert von mehreren hundert Millionen Euro aus Russland nach Deutschland ein. Mehr als die Hälfte des Erdöls kommt nach deutschen Angaben aus Russland.
Die Treuhandverwaltung sei eine Reaktion auf die drohende Gefährdung der Energieversorgungssicherheit und ein wesentlicher Grundstein für den Erhalt des Standorts Schwedt, hiess es weiter. Für Schwedt solle es zudem ein "umfassendes Zukunftspaket" geben, das einen "Transformationsschub" für die Region bringen und die Raffinerie unterstützen solle, damit die Versorgung mit Öl auf alternativen Lieferwegen sichergestellt werde.
Bislang ist die PCK Raffinerie von der Belieferung mit russischem Erdöl über die "Druschba-Pipeline" abhängig. Das so genannte Zukunftspaket soll am Mittag im Bundeskanzleramt von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und dem Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke (SPD), vorgestellt werden.
PCK hat rund 1200 Mitarbeiter und gilt als wirtschaftliche Säule der Region um Schwedt. Die Raffinerie versorgt grosse Teile des deutschen Nordostens mit Treibstoff. Rosneft Deutschland hielt nach Unternehmensangaben dort bislang einen Anteil von 37,5 Prozent, ebenso wie Shell Deutschland.
"Ein Ausfall des Betriebs der PCK-Raffinerie hätte zur Folge, dass die bundesweite Versorgung mit Erdölprodukten - und demnach mit lebenswichtigen Gütern - beeinträchtigt und insbesondere im Nordosten Deutschlands gefährdet wäre", schreibt das Wirtschaftsministerium im Bundesanzeiger. Die Beschaffung von Öl aus anderen Quellen wäre sehr teuer, der Transport von Erdölprodukten aus anderen Raffinerien schwierig. Neben Versorgungsengpässen drohten "Preisspitzen bei Kraftstoffen für gewerbliche und private Verbraucher sowie eine Unterversorgung mit Bitumen insbesondere für den Strassenbau". Auch die Belieferung des Berliner Flughafens mit Flugbenzin sowie die Versorgung der Stadt Schwedt mit Fernwärme seien dann gefährdet.
Die Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe ist nach Unternehmensangaben Deutschlands grösste Raffinerie. Gesellschafter sind demnach Phillips 66, Esso, Rosneft und Shell, der Standort hat 1100 Mitarbeiter, die aus Rohöl Produkte wie Benzin, Diesel oder Heizöl herstellen, insgesamt rund 14 Millionen Tonnen pro Jahr. Für den Südwesten Deutschlands ist MiRO nach eigener Darstellung die wichtigste Versorgungsquelle für Mineralölprodukte.
Die Raffinerie im bayerischen Vohburg an der Donau nahe Ingolstadt stellt nach Angaben des Unternehmens Bayernoil unter anderem Flüssiggas, Benzin, Diesel und Heizöl her.
Grund für die Anordnung der Treuhandverwaltung sei, dass die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der betroffenen Raffinerien aufgrund der Eigentümerstellung der Unternehmen in Gefahr gewesen sei. Zentrale Dienstleister wie Zulieferer, Versicherungen, Banken, IT-Unternehmen und Banken, aber auch Abnehmer, seien nicht mehr zu einer Zusammenarbeit mit Rosneft bereit gewesen - weder mit Raffinerien mit Rosneft-Beteiligung noch mit den deutschen Rosneft-Töchtern RDG und RNRM selbst.
Hintergrund seien "Unsicherheiten über die sanktionsrechtliche Behandlung" der Unternehmen, wie das Wirtschaftsministerium im Eintrag zu dem Vorgang im Bundesanzeiger schreibt. Zudem wanderten Mitarbeiter ab. "Es ist in der gegenwärtigen Situation zu erwarten, dass zentrale Unternehmensbereiche nicht mehr besetzt werden können", schreibt das Ministerium.
Die PCK Raffinerie soll von russischem Öllieferungen gelöst werden, da diese jederzeit ausfallen könnten, so das Ministerium. Zur Umstellung auf andere Lieferanten sollen die Hafeninfrastruktur in Rostock und die Pipeline von Rostock nach Schwedt ausgebaut werden. Darüber hinaus seien Öllieferungen über eine Pipeline vom Hafen des polnischen Danzig nötig, insbesondere bis die Pipeline aus Rostock ausgebaut ist. Dies wolle die polnische Regierung aber erst ermöglichen, wenn die russischen Gesellschafter nicht mehr im Boot sind.
Auch in der Bayernoil-Raffinerie bei Ingolstadt wurde die Zusammenarbeit mit Dienstleistern laut Wirtschaftsministeriums zuletzt schwierig. Rosneft Deutschland habe zudem nicht die vereinbarten Mengen an Rohöl geliefert. "Die angespannte Versorgungslage mit Mineralölprodukten im süddeutschen Raum wird dadurch verschärft."
Rechtliche Grundlage der Treuhandverwaltung ist eine Regelung im Energiesicherungsgesetz. Demnach ist dieser Schritt möglich, wenn das Unternehmen andernfalls seine dem Gemeinwesen dienenden Aufgaben nicht erfüllen kann und eine Beeinträchtigung der Versorgungssicherheit droht. Gegen die Entscheidung kann binnen eines Monats Klage erhoben werden.
Scholz: Entscheidung zu Rosneft weitreichende Entscheidung zum Schutz des Landes
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Entscheidung der Regierung, die deutschen Töchter des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur zu stellen, als "unumgänglich" bezeichnet. Nun sei es möglich, nötige Investitionen vorzunehmen, sagte Scholz bei einer Pressekonferenz zur Vorstellung eines "Zukunftspaketes" für die ostdeutschen Erdölstandorte, das über die Jahre ein Volumen von über 1 Milliarde Euro haben werde.
"Das ist eine weitreichende energiepolitische Entscheidung zum Schutz unseres Landes", sagte Scholz. Man wisse längst, dass Russland kein verlässlicher Energielieferant mehr sei. Man habe schon lange unterstellt, dass plötzlich Lieferungen ausblieben. "Mit der heutigen Entscheidung stellen wir sicher, dass Deutschland auch mittel- und langfristig mit Erdöl versorgt wird." Besonders gelte dies für die PCK-Raffinerie in Schwedt. "Der Standort Schwedt wird mit dieser Entscheidung gesichert", betonte der Kanzler. Mit dem Paket sollten "spürbare strukturpolitische Effekte" erzeugt werden.
Die Bundesregierung sowie die Landesregierungen von Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt wollten damit die Transformation in den ostdeutschen Ländern vorantreiben. Allein für den Standort Schwedt geht es laut Scholz "um Mittel des Landes und des Bundes, die sich auf 825 Millionen Euro belaufen". Kündigungen sollten vermieden werden. Laut einer Mitteilung der Bundesregierung geht es hierbei um einen Zeitraum von 15 Jahren und einen Bundesanteil von rund 77 Prozent. Scholz kündigte an, die Pipeline von Rostock nach Schwedt werde "mit einem erheblichen Finanzeinsatz ertüchtigt", und es werde über Lieferungen aus Polen geredet. Laut Regierung finanziert der Bund die Ertüchtigung der Pipeline voll mit 400 Millionen Euro.
Auch für die beiden anderen Bundesländer würden Massnahmen vorgesehen. Der Bund und die drei Länder vereinbarten laut Regierung dafür ein Sonderprogramm im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" für die ostdeutschen Raffineriestandorte und Häfen über 750 Millionen Euro bis 2037. "Mit der Treuhand ist es jetzt möglich, dass tatsächlich alle Investitionen ausgelöst werden, die wir brauchen für eine langfristige Zukunftssicherung", sagte Scholz. Gesichert sei auch, "dass kein Arbeitnehmer Angst um seinen Arbeitsplatz haben muss". Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betonte, die Versorgung Ostdeutschlands sei gesichert. "Der Standort ist gesichert, und die Zukunft für Schwedt wird erarbeitet."
Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) betonte den Erhalt der Arbeitsplätze. "Wir stehen dafür, dass die Beschäftigung am Standort Schwedt weiter gesichert wird", sagte er. Eine "vernünftige und sehr, sehr gute Kurzarbeiterregelung" solle Engpässe auffangen. Laut Bundesregierung will diese für das Jahr 2023 Beschäftigte der PCK-Raffinerie, deren Arbeitszeit sich im Zusammenhang mit dem EU-Embargo gegen Importe von russischem Erdöl verringere, mit einem Zuschuss zum Kurzarbeitergeld unterstützen. Zusätzlich gehe die Bundesregierung auf die Gesellschafter zu, um eine Aufstockung auf bis zu 100 Prozent verbindlich zu erreichen. Für 2024 beabsichtige die Regierung eine Kompensation in gleicher Grössenordnung.
Am Freitag verliert die Rosneft-Aktie an der Börse in Moskau zeitweise 1,84 Prozent auf 360,55 Rubel.
BERLIN (awp international) / BERLIN (Dow Jones)Weitere Links:
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