Analyse |
10.06.2017 04:06:34
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Pandemie-Aktien: Mit welchen wirklich Geld zu verdienen ist
Neue Ebolafälle in Zentralafrika wecken Erinnerungen an das Seuchenjahr 2014, an Zika, MERS und SARS. Die Frage für Anleger ist, wie viel Substanz in angeblichen Pandemie-Gewinneraktien steckt.
Es gibt schönere Umstände, eine globale Führungsposition anzutreten. Just als der Äthiopier Tedros Adhanom Ghebreyesus vor einigen Tagen zum neuen Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO gewählt wurde, bestätigte sich der Verdacht auf neue Ebolafälle in der Demokratischen Republik Kongo.
Ausgerechnet Ebola - die Virusinfektion, die der WHO die schärfste Kritik seit Jahrzehnten eingebracht hat. Viel zu langsam hatte die Institution 2014 auf den Ausbruch in Westafrika reagiert, wo am Ende 11 323 Menschen starben.
Diesmal sieht es mit aktuell zwei Toten und 17 Verdachtsfällen nicht danach aus, als ob eine neue Pandemie, ein Ausbruch über Ländergrenzen hinweg, bevorsteht. Doch sicher ist das nicht. "In den vergangenen fünf Jahren haben wir eine Beschleunigung bei Ausbrüchen von neuen und wieder auftretenden Infektionskrankheiten beobachtet", sagt Ron Klain, der unter Präsident Obama als Ebolakoordinator gearbeitet hat. Zuletzt zeigte die rapide Verbreitung von Zika in Süd- und Mittelamerika, wie schnell sich Krankheiten im Zeitalter von Mobilität und weltweitem Handel verbreiten können - und eine globale Welle der Angst vor sich herschieben.
Hoffnung auf den großen Reibach
Auch an der Börse zeigen solche Krisenfälle Begleiterscheinungen: Mal leiden die Aktien von Fluggesellschaften und Reiseanbietern, mal ganze Märkte, wie die asiatischen Börsen bei der Lungenseuche SARS. Immer existiert jedoch eine Handvoll meist kleiner Firmen, die als Krisengewinner gefeiert werden, weil sie ein Medikament, einen Impfstoff oder sonstige Schutzmaßnahmen im Angebot haben. Ihre Aktienkurse vervielfachen sich innerhalb kürzester Zeit. Lohnt es sich für Anleger, auf diesen Zug aufzuspringen - und erfüllen sich die Hoffnungen auf den großen Reibach bei den Unternehmen?
"Eher habe ich ein Heilmittel für Ebola in meinem Kühlschrank, als dass die meisten dieser nichtsnutzigen Firmen wirklich etwas Substanzielles liefern würden", urteilt Adam Feuerstein, ein in der Branche bekannter Biotechkolumnist des US-Börsenportals Thestreet.com.
Tatsächlich ist die Bilanz typischer Krisengewinner mau, Beispiel Tekmira: Die kanadische Firma hatte Anfang 2014 zufällig eine kleine Studie mit einem experimentellen Ebola-Impfstoff begonnen, als die ersten Fälle aus Guinea gemeldet wurden. In den folgenden anderthalb Jahren konnte sich der Kurs aufgrund dessen zweimal verdreifachen und einmal mehr als verdoppeln - zwischen den drei Peaks erfolgte aber auch jeweils ein ebenso steiler Absturz. Bereits nach einem halben Jahr hatte die US-Zulassungsbehörde die Studie wegen Nebenwirkungen weitgehend gestoppt. Im Juni 2015 stellte die Firma die Entwicklung aufgrund fehlender Wirksamkeit ein, änderte Geschäftsmodell und Namen.
Die US-Firma Inovio brüstete sich sowohl während der Ebolapandemie als auch beim Zika-Ausbruch 2015/16, einen Impfstoff in der Schublade zu haben. Das brachte erst eine Verfünffachung und dann die Verdopplung des Aktienkurses - allerdings bis heute keinen Wirksamkeitsnachweis. Der fehlt auch bei Inovios anderen Impfstoffen gegen MERS, HIV und Hepatitis B und C. Kooperationen mit Pfizer und Merck & Co. wurden von den Pharmapartnern beendet, eine Zusammenarbeit mit Roche im Umfang halbiert. Der Analyst Charles Duncan von der Investmentbank Piper Jaffray stufte die Aktie jüngst mit den Worten "wir kapitulieren vor dem mangelnden Fortschritt aller Entwicklungsprogramme" auf "neutral" herunter.
Glück und starke Nerven gefragt
Natürlich kann Anlegern egal sein, ob Substanz hinter den Versprechen der Firmen steckt, wenn sie einfach nur auf den Trend aufspringen und Kasse machen wollen. Doch Timing ist bekanntlich schwierig, und der zackige Kursverlauf bei Tekmira oder Inovio zeigt, dass es schon sehr viel Glück und starker Nerven bedarf, um den Aufwärtstrend zu erwischen und dann weder zu früh noch zu spät auszusteigen. Kurz: Es ist eine riskante Zockerei. Langfristige Wetten lohnten sich nicht.
Noch extremer in Sachen Blitzaufstieg und -einbruch war der Kursverlauf bei Alpha Pro Tech und Lakeland Industries, die Schutzmasken respektive Schutzanzüge herstellen. Immerhin notieren beide Aktien heute über dem Niveau von vor der Ebolakrise, vermutlich weil beide Firmen auch abseits von Krankheitsausbrüchen Umsätze und Gewinne erzielen, was sich von den Impfstoffaspiranten nicht behaupten lässt.
Der Impfstoff, der jetzt tatsächlich in Zentralafrika zum Einsatz kommt, wird vom US-Pharmariesen Merck & Co geliefert. Er stammt aus einem Labor der kanadischen Regierung und war kurz an die Biotechfirma Newlink Genetics auslizenziert. Die reichte ihn jedoch sofort an Merck weiter, als das Ebolaproblem akut wurde, weil nur ein großer, im Vakzingeschäft erfahrener Konzern die nötige Kapazität für Tests und Produktion hat. Dass der Ebola-Impfstoff, wenn er sich bewährt, ein kommerzieller Erfolg wird, erwartet niemand, da die Krankheit bisher nur in bettelarmen afrikanischen Ländern auftrat. Ohnehin steuert die gesamte Impfstoffsparte nur 15 Prozent zu Mercks Umsatz bei.
Wer generell auf innovative Impfstoffentwicklung setzen will, ist mit der Aktie des größten britischen Pharmakonzerns GlaxoSmithKline gut beraten. Ein tatsächlicher Profiteur des aktuellen Ebola-Ausbruchs ist die in den USA ansässige Orasure Technologies, deren Schnelltest im Kongo eingesetzt wird. Orasure vertreibt aber auch andere Diagnostiktests, arbeitet profitabel und wächst stark. Und mit der nächsten Pandemie kommt sicher auch das nächste Zockerpapier.
Investor-Info
Glaxosmithkline
Koloss auf Comebackkurs
Die stark wachsende Impfstoffsparte, die 2016 knapp 17 Prozent zum Umsatz beisteuerte, zählt zum Kerngeschäft des britischen Pharmakonzerns. Im Forschungszentrum wird aktuell ein Bereitschaftslabor für Pandemievakzine geplant. Glaxo beginnt, seine langjährige Schwäche langsam zu überwinden. Daher ist die Bewertung noch günstig. Fast fünf Prozent Dividendenrendite.
Orasure Technologies
Zwerg mit Potenzial
Das kleine US-Unternehmen stellt eine Reihe von Testkits, beispielsweise für den Nachweis von HIV- und Hepatitisviren, aber auch von Drogen- und Medikamentenkonsum her. Im ersten Quartal sind die Produktumsätze gegenüber dem Vorjahr um ein Viertel gestiegen. Besonders international ist der Absatz noch ausbaufähig. Spekulativ.
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