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Steuerrückforderungen 21.07.2020 17:51:33

Wirecard-Aktie springt zweistellig hoch: Pleite kann teuer für den Staat werden

Wirecard-Aktie springt zweistellig hoch: Pleite kann teuer für den Staat werden

Der mutmassliche Betrugsskandal beim DAX-Konzern Wirecard kann die Staatskasse teuer zu stehen kommen.

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Grund sind mögliche Steuerrückforderungen in Millionenhöhe. Denn da der Wirecard-Vorstand die Bilanzen mit sehr wahrscheinlich erdichteten Umsätzen und Gewinnen aufblähte, hat das Unternehmen auch zu hohe Steuern gezahlt. Die nachträgliche Korrektur von Steuerbescheiden aber ist in solchen Fällen gängige Praxis, wie es bei Steueranwälten und Insolvenzverwaltern heisst.

Der vom Münchner Amtsgericht bei Wirecard eingesetztes vorläufige Insolvenzverwalter Michael Jaffé ist noch mit dem Insolvenzgutachten beschäftigt und nimmt zu seinen Plänen nicht Stellung. Steuerrechtsexperten verweisen auf Paragraf 41 Absatz 2 der Abgabenordnung: "Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich", heisst es dort. Salopp formuliert: Nicht existente Gewinne und Umsätze werden auch nicht besteuert.

"Bei Scheingewinnen stellt sich die Frage, ob nicht die Jahresabschlüsse wegen offenkundig falscher Zahlen und nachfolgend die Steuererklärungen und Steuerbescheide auch ohne Vorbehalt der Nachprüfung zu korrigieren sind", sagt Marc d'Avoine, Leiter des Ausschusses Steuern und Bilanzierung beim Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands. "Die Antwort ist eindeutig ja. (...) Unsere Aufgabe ist es, Scheingewinne zu korrigieren."

Bei Wirecard geht es in dieser Hinsicht um grosse Summen: Der Konzern hat ausweislich seiner Bilanzen von 2015 bis 2018 knapp 160 Millionen Euro Ertragsteuern gezahlt. Die Umsatzsteuer macht ebenfalls erhebliche Beträge aus, wird aber in den Gewinn- und Verlustrechnungen von Aktiengesellschaften nicht ausgewiesen.

Finanzministerium informierte Kanzleramt vor China-Reise über Wirecard

Im Bilanzskandal um den Dax-Konzern Wirecard richtet sich die Aufmerksamkeit zunehmend aufs Bundeskanzleramt. Das Bundesfinanzministerium teilte mehreren Medien mit, es habe vor einer China-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Informationen an ihr Haus weitergegeben. Laut "Spiegel" kamen dabei auch Vorwürfe gegen Wirecard zur Sprache. Die Linke will nun Merkel im Finanzausschuss des Bundestags befragen.

Am Wochenende war bekannt geworden, dass sich das Kanzleramt auf der China-Reise Anfang September 2019 für Wirecard und den Markteintritt des Unternehmens in dem Land eingesetzt hatte. Wie das Bundesfinanzministerium dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung mitteilte, hatte das Ressort von Olaf Scholz (SPD) "am 23. August auf Anfrage des Kanzleramts per E-Mail verschiedene Informationen zum Fall Wirecard weitergegeben".

Mitgeteilt wurde dem Kanzleramt nach Spiegel-Informationen etwa, dass Wirecard in den Fokus diverser Aufsichtsbehörden gerückt war. "Das Bundesministerium der Finanzen hat an das Bundeskanzleramt auf Arbeitsebene auf - im Übrigen öffentlich bekannte - Vorwürfe gegen das Unternehmen Wirecard hingewiesen", erklärte ein Ministeriumssprecher demnach. Am Dienstag wollte sich das Finanzministerium auf Nachfrage nicht zu dem Vorgang äußern.

Linken-Chefin Katja Kipping forderte Aufklärung von Merkel persönlich. Die Kanzlerin müsse in der für kommende Woche angesetzten Sondersitzung des Finanzausschusses Auskunft darüber geben, "was genau sie gewusst hat" und "welche Konsequenzen sie daraus gezogen hat", erklärte Kipping.

Die Sondersitzung des Finanzausschusses während der parlamentarischen Sommerpause ist für Mittwoch kommender Woche angesetzt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will dabei persönlich Rede und Antwort stehen. Er wolle den Abgeordneten "alle Auskünfte geben, die gewünscht werden", sagte er. Altmaiers Ministerium hat die Aufsicht über die Wirtschaftsprüfer, die Bilanzfälschungen bei Wirecard offenbar lange nicht entdeckten.

Auch Bundesfinanzminister Scholz wurde in die Sitzung eingeladen. Er plant offenbar ebenfalls, persönlich teilzunehmen. Scholz habe bereits vergangene Woche angeboten, in einer Sondersitzung des Finanzausschusses "den Sachstand zu erläutern", hatte ein Sprecher des Finanzministeriums am Montag gesagt.

Für die Organisation Lobbycontrol sind die verschiedenen Verbindungen zwischen Wirecard und der Bundespolitik ein Indiz für Reformbedarf im Hinblick auf Lobby-Aktivitäten. "Deutlicher kann man nicht machen, warum eine Demokratie maximale Transparenz beim Lobbyismus braucht", erklärte Timo Lange von Lobbycontrol. "Der Fall zeigt, welch zerstörerische Durchschlagskraft Lobbyismus haben kann."

Lange verwies auf die Pläne der Koalitionsfraktionen, vor Jahresende ein verbindliches Lobbyregister einzuführen. "Die aktuellen Skandale unterstreichen, wie wichtig es ist, dass ein Lobbyregister auch Lobbyarbeit gegenüber der Bundesregierung, Ministerien und Kanzleramt erfasst", mahnte er. "Eine Schmalspurlösung, die nur den Bundestag betrifft, reicht nicht aus."

Altmaier will zu Wirecard "in aller Ausführlichkeit" sprechen

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat seine Teilnahme an der Sondersitzung des Finanzausschusses zum Wirecard-Skandal zugesichert. "Ich werde das gerne wahrnehmen und werde alle Auskünfte geben, die gewünscht werden", sagte Altmaier in Berlin. Die Rücksicht auf das Parlament gebiete es, "dass ich mich dort äußern werde, und zwar in aller Ausführlichkeit und in allen Details".

Der Finanzausschuss des Bundestags hatte sowohl Altmaier als auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) geladen, um über die Vorgänge bei dem DAX-Konzern zu sprechen. Die Sondersitzung soll am Mittwoch kommender Woche (29. Juli) stattfinden.

Die Wirecard-Aktie setzte ihre Achterbahnfahrt auch am Dienstag fort: Im XETRA-Handel ging es schlussendlich um 16,36 Prozent auf 1,80 Euro nach oben.

(Dow Jones / AWP)

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Bildquelle: Wirecard AG,nitpicker/Shutterstock

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