Fokus auf Selbstregulierung |
28.11.2022 23:23:00
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Nach neuen Richtlinien in der EU: Schweiz in ESG-Belangen im Hintertreffen
In der EU soll die auf Finanzunternehmen zugeschnittene Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) für mehr Transparenz hinsichtlich des Einbeziehens von Nachhaltigkeitskriterien in Entscheidungsprozesse für Investitionen sorgen. In der Schweiz setzt man derweil mehr auf Selbstregulierung.
• EU-Taxonomie, CSRD und SFDR bieten Regulierung in der Europäischen Union
• Schweiz setzt bisher auf Selbstregulierung
Neue Richtlinien in der EU
Das Interesse an ESG-Anlageprodukten (Environmental, Social, Governance oder zu Deutsch Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) ist in Europa in den vergangenen Jahren gewachsen. Im Rahmen des European Green Deal und der Sustainable Finance Strategy hat die Europäische Kommission eine ganze Reihe an Massnahmen beschlossen, "um den Geldfluss zur Finanzierung des Übergangs zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu verbessern." Das Massnahmenpaket soll zum Erreichen der Klima- und Umweltziele beitragen, indem es Investoren ermöglichen soll, "ihre Investitionen auf nachhaltigere Technologien und Unternehmen umzulenken". Zu den wichtigsten Regularien, die die Europäische Kommission auf den Weg gebracht hat, gehören die EU-Taxonomie, ein Klassifizierungssystem, das eine Liste ökologisch nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten aufstellt, die neuen Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) und die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR).
Mit der CSRD sollen laut dem Europäischen Rat detailliertere Berichtspflichten eingeführt werden und sichergestellt werden, "dass grosse Unternehmen verpflichtet sind, Informationen zu Nachhaltigkeitsfragen wie Umweltrechten, sozialen Rechten, Menschenrechten und Governance-Faktoren zu veröffentlichen". Die Sustainable Finance Disclosure Regulation, die vor allem auf Finanzunternehmen zugeschnitten ist, soll derweil für mehr Transparenz hinsichtlich des Einbezugs von Nachhaltigkeitskriterien in den Investitionsentscheidungsprozess von Finanzunternehmen sorgen. Konkret heisst das zum Beispiel, dass Investitionen, die entsprechende Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, für Investoren durch ein Klassifizierungssystem leicht zu identifizieren sein sollen oder, dass Versicherungs- und Wertpapierfirmen dazu verpflichtet sind, ihre Kunden auf Grundlage ihrer Nachhaltigkeitspräferenzen zu beraten.
Schweiz setzt auf Selbstregulierung
Auch in der Schweiz geht es voran in Sachen ESG-Regulierung. Im Vergleich zur EU setzt man hierzulande bisher jedoch eher auf Selbstregulierung. So treten am 1. Januar 2023 zwei neue "Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung" in Kraft, die laut Swiss Banking nur für Mitglieder der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) verbindlich sind - Nicht-Mitglieder können diese auf freiwilliger Basis umsetzen. Rechtlich sind die neuen Richtlinien an das Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) angelehnt und lösen den bisherigen "Leitfaden für den Einbezug von ESG-Kriterien in den Beratungsprozess für Privatkunden" ab. Im Rahmen dieser neuen Richtlinien sollen Kunden "künftig nach ihren ESG-Präferenzen gefragt und die ihnen angebotenen Produkte und Dienstleistungen damit in Einklang gebracht" werden, so Swiss Banking. Daneben bestehen auch "Informations-, Dokumentations- und Rechenschaftspflichten im Zusammenhang mit der Erhebung von ESG-Präferenzen" und die Mitglieder sind verpflichtet, ESG-Themen auch "in die Aus- und Weiterbildung ihrer Kundenberaterinnen und -berater zu integrieren".
Ähnlich wie die Schweizerische Bankiervereinigung hat auch der Branchenverband Asset Management Association Switzerland (AMAS) eine Selbstregulierung im Bereich Nachhaltigkeit erarbeitet. Diese tritt am 30. September 2023 in Kraft und ist laut eigenen Angaben "komplementär zur Selbstregulierung der Nachhaltigkeit in der Kundenberatung, welche die Schweizerische Bankiervereinigung eingeführt hat." Auf ihrer Webseite weist die AMAS allerdings auch darauf hin, dass die Selbstregulierung von der FINMA, aufgrund der gegenwärtigen Rechtslage, "derzeit nicht als Mindeststandard anerkannt werden" kann, "so dass das Regelwerk der freien Selbstregulierung der AMAS zuzurechnen" sei.
Interesse an ESG-Anlagen in der Schweiz
Auch unter den Anlegern in der Schweiz wächst das Interesse an nachhaltigem Investieren. Laut Schroders Global Investor Study aus diesem Jahr sind 80 Prozent der Befragten aus der Schweiz, "die sich selbst als Experten bzw. als fortgeschrittene Anleger einstufen" der Meinung, dass "nachhaltige Investitionen der einzige Weg ist, um langfristig Rentabilität zu erzielen." Laut Studie sind jedoch auch "84 Prozent der Schweizer Experten der Meinung, dass Greenwashing ein Problem darstellt." Dennoch teilen 78 Prozent der erfahreneren Anleger in der Schweiz die Ansicht, dass "nachhaltige Investitionen einen positiven Wandel unterstützen können, wenn es um Herausforderungen wie den Klimawandel geht." Die Studie ergab ausserdem, dass die Auswirkungen auf die Umwelt für Anleger der wichtigste Grund sind, warum Anleger in nachhaltige Fonds investieren. Derweil hat die Übereinstimmung mit gesellschaftlichen Grundsätzen im Vergleich zu den Vorjahren an Bedeutung gewonnen. Für die Schweizer sind die sozialen Aspekte mit 55 Prozent gar der wichtigste Grund, nachhaltig zu investieren. Höhere Renditen liegen dagegen nur auf Platz drei der Gründe, die Anleger dazu bewegen, ihre Geld nachhaltig anzulegen.
Eine Umfrage der Vereinigung Schweizerischer Assetmanagement- und Vermögensverwaltungsbanken (VAV) zeigt derweil, wie es auf der Angebotsseite aussieht. So würden drei Viertel der Schweizer Vermögensverwalter die Implementierung von ESG-Kriterien in ihren Anlageansatz in Betracht ziehen. Allerdings würde die Mehrheit der Befragten dies nur auf Kundenwunsch tun. Nur 20 Prozent der befragten Vermögensverwalter würden die ESG-Kriterien immer mit einbeziehen, während 25 Prozent angaben, nur konventionelle Produkte zu nutzen. Die Umfrage ergab ausserdem, dass grössere Vermögensverwalter mit einem grösseren Vermögenspool eher die ESG-Kriterien immer mit einbeziehen, während Vermögensverwalter mit kleineren Vermögenspools eher auf konventionelle Anlageprodukte setzen. Laut den Vermögensverwaltern bleiben die Hürden für die Implementierung von ESG-Kriterien in die Investmententscheidungen jedoch hoch. Sie nannten den Mangel an Daten und Standards sowie Beschränkungen des Produktangebots als die vorherrschenden Barrieren.
Auch wenn es in der Vergangenheit immer mal wieder Greenwashing-Vorwürfe gab, scheint das Interesse an nachhaltigen Anlageprodukten also nach wie vor ungebrochen und so könnten sich auch für die Schweiz mit den richtigen Massnahmen Chancen bieten, in Sachen Regulierung im ESG-Bereich zur EU aufzuholen, Barrieren für Vermögensverwalter abzubauen und noch stärker von diesem Trend zu profitieren.
Redaktion finanzen.ch
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