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Experten-Kolumne 02.08.2012 11:26:28

China im Sog der Wirtschaftskrise

Kolumne

Hatte sich China gegenüber früheren grossräumigen Wirtschaftseinbrüchen noch als recht robust erwiesen, so mag der aktuelle Absturz des BSP-Wachstums vom lange anhaltenden zweistelligen Bereich unter die magische Benchmark von 8% aufhorchen lassen.

Ist dadurch die oft diskutierte Rolle Chinas als Stabilisator, Antipol zu westlichen Industriestaaten und möglicher Retter in Not geratener Wirtschaften, Währungen und Unternehmungen ins Schwanken geraten? Was hat zu dieser Schwächung geführt?

Eine wesentliche Ursache ist die mittlerweile starke globale Integration und Deregulierung des Landes. Das Reich der Mitte ist nicht mehr autochthon, wie es über Jahrhunderte war, sondern in hohem Masse abhängig von ausländischen Märkten, Investoren und Zulieferern. Die Öffnungspolitik, initiiert durch Deng Xiaoping Ende der 70er Jahre – ein nun irreversibler Prozess -  hat dem Land und seinen Bürgern nicht nur viel Wohlstand beschert, sondern auch Abhängigkeiten von globalen Entwicklungen und das Land in die globale Mitverantwortlichkeit gezogen.

Die Gründe für die aktuelle Schwächelung, wenngleich auf hohem Niveau, sind sehr vielschichtig:

Das chinesische Wirtschaftswachstum ist massgeblich durch Wertschöpfung der FIEs (Foreign-Invested Enterprises, ausländisch investierte Unternehmen) und Exporte getrieben.

- Auslandinvestitionen
Eine Vielzahl der FIEs hat Investoren aus dem Umfeld der Überseechinesen. Zahlreich sind aber auch jene mit Kapital aus westlichen Industriestaaten. China ist der grösste Empfänger ausländischen Kapitals ausserhalb der OECD. Die FIEs bilden das gewichtigste Rückgrat der Entwicklung und steuern so überproportional zum Wirtschaftswachstum bei. Neben der Schaffung von Arbeitsplätzen haben diese auch massgeblich zum Import von Knowhow und Hightech beigetragen. Der Wille, in China zu investieren, steigt und fällt jedoch mit der Befindlichkeit der Mutterhäuser und deren traditionellen Kernmärkten. Die heutige Wirtschaftslage hat zwingenderweise gedämpften Appetit auf Neuinvesitionen, insbesondere in einem so komplexen Markt, zur Folge. Selbst Deinvestitionen wurden zunehmend der Fall.

- Exporte – vitaler Beitrag zum Wirtschaftswachstum
Weit mehr als 50% der exportierten Waren stammen aus FIEs. Das Exportvolumen hängt demnach sowohl von den Auslandinvestitionen als auch von der Kaufkraft in den Käufermärkten und den Devisenmärkten ab. Gerade die beiden letzteren haben sich jüngst wenig förderlich für die chinesischen Exporte entwickelt: Vielen westlichen Zielmärkten fehlt es zunehmend an Kaufkraft; und der RMB ist in der jüngsten Vergangenheit substantiell erstarkt. Ein Rückgang der chinesischen Exporte ist daher eine logische Folge.

- Chinesischer Absatzmarkt
Viele FIEs verfolgen als Kernziel den Zugang zum lokalen Markt. Angesichts der wachsenden Produktionskosten hat das Land als Billigproduktionsstandort von Waren für die westlichen Märkte deutlich an Attraktivität verloren. Als Folge der gedämpften Wirtschaftsentwicklung zeigen die Chinesen zunehmend Zurückhaltung im Kauf von teureren ausländischen Brands, zumal zunehmend kompetitive Produkte lokaler Provenienz erhältlich sind, und üben sich wieder mehr in einer ihrer traditionellen Tugenden, dem Sparen. Nicht umsonst hat China die grössten Devisenreserven angeäufnet. Dies trifft besonders ausländische Unternehmen, die ihre Chinastrategie allein auf der Kaufkraft der offiziell immerhin mit 200-300 Mio. Menschen der oberen Mittelklasse und höher fokussieren.

Fürs Wachstumspielt schliesslich die Verfügbarkeit von Rohstoffen eine kritische Rolle. China verfügt bei weitem nicht über die Ressourcen, die es (einschl. der FIEs) benötigt und ist auf Importe angewiesen. Um diese zu sichern, investiert das Land auf allen Kontinenten Milliarden in Förderfirmen. Angesichts der global beschränkten Ressourcen sind hier Konflikte mit anderen Interessenten vorprogrammiert.

Unter den lokalen Firmen ohne ausländisches Kapital spielen die Privatbetriebe mittlerweile eine gewichtige Rolle. Viele sind zu führenden internationalen Firmen herangewachsen. Notleidend wurden vor allem zahlreichen auf Exporte fokussierten Betriebe, die wie schon bei früheren Rezessionen Konkurs anmelden mussten.

Der wirtschaftliche Einbruch erreicht China zu einer ungelegenen Zeit:

- Während sich der grosse wirtschaftliche Aufschwung anfangs vor allem längs der ostchinesischen Küste manifestierte, mussten sich entlegenere Gebiete lange Jahre mit Versprechungen, dass auch dort grössere Entwicklung einsetzen würde, begnügen. Erst in den letzten Jahren haben die Versuche, Erfolge der Ostgebiete ins Landesinnere zu exportieren und Investoren zu motivieren, dorthin zu gehen, Früchte gezeigt. Eine gedämpfte oder gar rückläufige Entwicklung könnte Destabilisierung  und soziale Unruhen mit sich ziehen.

- Als Folge der erlahmenden Wirtschaftsentwicklung gehen Arbeitsplätze verloren, ebenfalls ein Risikofaktor.

- Die anhaltende Inflationund die damit verbundenen höheren Lebenskosten können breite Bevölkerungskreise an den Rand der Armut treiben. Auch wenn die Saläre stark steigen, so können diese Entwicklungen nicht wettgemacht werden.

- Der erstarkte RMB hat deutlich dämpfende Auswirkung auf die chinesischen Exporte.

- Den dringend zu lösenden Umweltproblemen wird nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit geschenkt.

China wird auch diese Abschwächung wieder überwinden. Ob jedoch die zweistelligen Wachstumsraten wieder erreicht werden, sei dahingestellt. Vieles hängt auch davon ab, wie erfolgreich strukturelle Reformen realisiert werden können.

Bleibt China dennoch attraktiv für westliche Investoren?

Viele westliche Firmen waren seit der Öffnung geradezu einer Chinaeuphorie erlegen und haben Ventures gegründet, ohne sich ernsthaft mit dem Umfeld und den Herausforderungen auseinanderzusetzen, allein in der Hoffnung, dass sich der Erfolg irgendwann in der Zukunft zeigen würde. Viele dieser Ventures waren Misserfolge, nicht nur solche von KMU, selbst Grossunternehmen erlitten Verluste. Viele sind allein daran gescheitert, weil sie sich nur mangelhaft mit den Risiken und Herausforderungen auseinandergesetzt haben. Genannt seien etwa das interkulturelle Management, die verbale und besonders auch die non-verbale Kommunikation, die unterschiedlichen  soziologischen Gegebenheiten (vertikale, kollektivistische Gesellschaft mit kaum tragenden horizontalen Strukturen), Korruption, Knowhow-Klau, das andersartige Rechtsverständnis, die dualistische Denkweise („ein Land – zwei Systeme“, „sozialistische Marktwirtschaft“ u.a.) und andere.

China wird ein anspruchsvoller, aber zugänglicher Markt bleiben für Unternehmen, auch KMU, mit solider Basis im Heimmarkt und gesunden Finanzen, Ressourcen und Zeitreserven. International orientierte Unternehmen werden sich auch in Zukunft ernsthaft mit den Optionen in China auseinandersetzen müssen, oft auch mangels anderer Alternativen. China wird auch unter veränderten globalwirtschaftlichen Kräfteverhältnissen bei genügender geographischer und strategischer Diversifikation eine erfolgsversprechende Option bleiben. Die Komplexität des Marktes wird jedoch auch in Zukunft nicht ein geeigneter Ort sein, Probleme in den Kernmärkten zu lösen. Angesichts des übersaturierten Westens werden jedoch neue Märkte für viele westliche Unternehmen und Investoren von vitaler Bedeutung sein. Doch wo sind diese? Beste Opportunitäten finden sich zunehemend nicht mehr in der westlichen Welt sondern vor allem in Asien, insbesondere in China, Indien und wenigen andern Ländern.

Andreas Kühnis, DELTA Investment Partner AG

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