Lehren aus dem Debakel |
08.12.2022 23:23:00
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Nach FTX-Insolvenz: Experten fordern Konsequenzen für die Kryptobranche
Der Schock sitzt noch immer tief: Nachdem die Kryptobörse FTX von Szenestar Sam Bankman-Fried in Schieflage geriet, meldete das Unternehmen Anfang November in den USA Insolvenz an. Experten aus der Kryptobranche erklären nun, welche Lehren man aus dem Chaos um den bankrotten Anbieter ziehen muss.
• Verwahrungsproblematik im Fokus
• Regulierung gefordert
FTX-Beben setzt gesamte Branche unter Druck
Die Insolvenz der Kryptobörse FTX hat die Stimmung am Markt für Bitcoin, Ether & Co. in den letzten Wochen auf eisige Temperaturen gesenkt. Nachdem die Kapitalreserven des Handelsplatzes für Digitalwährungen angezweifelt wurden, zogen zahlreiche Nutzer des Dienstes ihre Einlagen Anfang November ab. Dadurch geriet das Unternehmen um Kryptostar Sam Bankman-Fried ins Wanken - und in Zahlungsschwierigkeiten. Zwar sorgte kurzzeitig die Aussicht auf eine Übernahme der Plattform durch Mitbewerber Binance für Hoffnung, nur einen Tag später erteilte dessen Leiter Changpeng "CZ" Zhao dem Deal mit FTX aber eine Absage. Dem Unternehmen blieb nichts anderes übrig als in den USA Insolvenz nach Chapter 11 anzumelden. Auch Bankman-Fried steht mittlerweile nicht mehr an der Spitze des Konzerns. Restrukturierungsexperte John J. Ray, der das Ruder übernommen hat, zeigte sich derweil schockiert über die desaströsen Zustände des bankrotten Unternehmens.
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Experten fordern Konsequenzen
Das Beben, das die Pleite von FTX ausgelöst hat, zieht sich bis in die hintersten Ecken der Kryptobranche. Experten rechnen damit, dass vor allem institutionelle Anleger dem Markt um Digitalwährungen den Rücken kehren und den Bitcoin für tot erklären dürften. Gleichzeitig wird der Ruf nach einer umfassenden Regulierung der Branche lauter. Verfechter von Kryptowährungen plädieren hingegen dafür, dass man zwischen ordentlich agierenden Unternehmen und schwarzen Schafen unterscheidet und aus den jüngsten Ereignissen die notwendigen Konsequenzen zieht. So auch Markus Kaulartz und Benedikt Holl von der Wirtschaftskanzlei CMS Deutschland. Kaulartz und Holl haben sich in der Kanzlei auf die Themen IT-Recht und Kryptowährungen spezialisiert. In einem Gastbeitrag für die "Börsen-Zeitung" rufen die Experten dazu auf, den Markt für Kryptowährungen nach der FTX-Pleite nicht zu verteufeln, sondern die Geschehnisse als Anreiz zu nehmen, den Sektor in Zukunft sicherer und stabiler zu gestalten.
Verwahrungsproblematik betrifft nicht nur Kryptomarkt
Beispielsweise kritisieren Kaulartz und Holl in ihrem Schreiben, dass Kunden der Kryptobörse zwar Vermögenswerte kaufen konnten, die privaten Schlüssel, die zum Zugriff auf diese benötigt werden, aber bei FTX lagen. Nutzer der Plattform konnten ihre Assets also nicht einfach abziehen, sondern mussten diese anfordern. Dieses Vorgehen mag zwar nicht für jeden Krypto-Anleger Normalität sein, schliesslich wird in der Szene immer wieder das Mantra "Not Your Keys, Not Your Coins" genannt, bei ETFs, Anleihen und Bankeinlagen verfügen Investoren ebenfalls nicht über die notwendigen Zugänge, um ihre Anlagen selbstständig abzuziehen, so die Anwälte. Auch sei der missbräuchliche Umgang mit Kundengeldern kein Problem, das nur den Kryptomarkt betrifft. Das Insolvenzrisiko des Handelspartners werde also nicht nur im Beispiel von FTX auf den Nutzer übertragen.
"Not Your Keys, Not Your Coins"
Kaulartz und Holl sind daher der Meinung, dass Kryptowährungen sich damit nicht als sichere Investition disqualifiziert haben - im Gegenteil. Dadurch, dass Kunden von FTX ihre Kryptoanlagen nicht selbst hielten, sondern an das Unternehmen als Verwahrer ausgelagert hatten, kam es zum Scheitern. Stattdessen raten die Juristen Anlegern, ihre Kryptowährungen selbst zu verwahren und Kryptobörsen nur zum Kauf und Verkauf zu nutzen - entsprechend dem erwähnten Motto "Not Your Keys, Not Your Coins". Damit könne das Ausfallrisiko gesenkt werden, schliesslich liegen die Cybermünzen nicht bei Drittanbietern. Gänzlich risikofrei lassen sich Kryptowährungen jedoch nicht halten, wie etwas das Terra/LUNA-Debakel in diesem Jahr gezeigt hat.
Auch Bruno Krauss vom Berliner Unternehmen ReWallet rät zu Eigenverantwortung. "Sicherlich braucht es Vertrauen in Handelsplätze, aber wer Kryptowährungen als ein Investment hält, verpasst ihren wohl grössten Anwendungsfall, wenn er sie nicht selbst verwahrt", so der Experte gegenüber "Cointelegraph. "Der achtsame Umgang mit einem eigenen Wallet muss zum Standardrepertoire jedes Anlegers werden.
Blockchain hätte Schaden abgefedert
Um also zu verhindern, dass sich die Geschehnisse um FTX zukünftig erneut wiederholen, müsse man die Blockchain stärker in den Kryptohandel integrieren, fordern die beiden Fachanwälte. So stehe es dem eigentlich Sinn von Kryptowährungen, die sich durch ihre Dezentralität auszeichnen, entgegen, diese durch einen einzelnen Anbieter verwahren zu lassen. Ursprünglich wurde der Bitcoin als Gegenentwurf zum traditionellen Bankensystem entwickelt, wodurch Verbraucher wieder die Macht über ihre Einlagen erhalten sollten. Auf den ersten Blick komfortabel wirkende Lösungen, wie etwa FTX, nehmen Kunden aber die Kontrolle über ihre Assets. Daher müsse man die Blockchain-Technologie stärker in den Kryptohandel einbinden, finden Kaulartz und Holl. Wäre dies der Fall gewesen, hätte man das Chaos um Bankman-Frieds Kryptobörse zumindest teilweise verhindern können, so die Autoren des Beitrags.
Regulierung als Verkaufsargument
Dennoch müsse man auch Verständnis für Kunden aufbringen, die ihre Kryptoanlagen nicht selbst verwalten möchten oder können. Hier kommen den Experten zufolge vor allem Banken und Finanzdienstleister ins Spiel und es müsse eine stärkere Regulierung an den Tag gelegt werden. Zwar sei die Branche um Bitcoin und Konsorten schon jetzt reguliert, wie entsprechende Ansätze der US-Börsenaufsichtsbehörde SEC oder der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beweisen. Erschwert wird das Umsetzen von Vorgaben hingegen dadurch, dass viele Anbieter von Kryptoprodukten oft im Ausland sitzen. So hat auch FTX seinen Firmensitz auf den Bahamas, während das Tochterunternehmen FTX.US der Konzernmutter unterstellt ist. Nach dem Schock um die bankrotte Plattform dürften Kunden in Zukunft aber vermehrt Sicherheiten fordern, sind sich die Anwälte sicher. So dürfte sich eine vorliegende Erlaubnis der jeweiligen Finanzmarktaufsicht eines Landes auch als Argument dafür verkaufen lassen, dass Kunden ihre Gelder bei einem bestimmten Unternehmen anlegen.
Krauss sieht hingegen nicht die Anbieter von Kryptohandel in der Bringschuld, sondern vor allem die Aufsichtsbehörden. So müssten die Regulierer gewährleisten, dass Unternehmen, die eine entsprechende Lizenz erhalten, auch tatsächlich im Rahmen der damit einhergehenden Bestimmungen agieren.
EU-Rechtsrahmen könnte Sektor vorantreiben
Darüber hinaus müsse aber auch der gesamte Sektor stärker in den Fokus der Behörden rücken, so die beiden Kryptokenner von CMS. Hier soll EU-weit bald eine Verordnung zu "Markets in Crypto-assets, and amending Directive" (MiCa) Abhilfe schaffen. Damit definiert die Richtlinie Kryptowerte als Überbegriff für verschiedene Token, wie Kaulartz und Holl in einem Beitrag auf dem Internetauftritt der Grosskanzlei erklären. Damit deckt die Verordnung ein digitales Abbild eines Wertes ab, der mittels der Distributed-Ledger-Technologie oder ähnlichen Vorgehensweisen elektronisch transferiert und verwahrt werden kann. Anbieter müssen sich dazu verpflichten, ehrlich, fair und professionell zu handeln sowie eine eindeutige Kommunikation mit Anlegern zu ermöglichen. Den Anwälten zufolge könnte MiCa eine Vorreiterrolle einnehmen und auch ausserhalb der EU als Vorbild für eine geeignete Regulierung dienen.
Redaktion finanzen.ch
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