Experten-Kolumne |
22.08.2016 09:34:39
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Wie werden unsere Rentner wirklich finanziert?
Kolumne
Solidaritäten werden in der ersten und zweiten Säule sehr unterschiedlich beurteilt. Besonders bei der zweiten Säule wird das Prinzip der Solidarität als Umverteilung kritisch angesehen. Umso wichtiger ist dort die geplante Selbstfinanzierung.
Die Medien sind sich ziemlich einig, Langlebigkeit und niedrige Zinsen führen dazu, dass Renten nicht mehr in Gänze erspart werden, sondern auch in der 2. Säule quasi im Teil-Umlageverfahren durch die Aktiven finanziert werden. Die genannten Summen an Quersubventionierungen sind hoch und es wird vielfach gefolgert, dass die junge Generation zu Lasten der alten gemolken wird. Solidaritäten werden zu Umverteilungen. Ängste entstehen oder werden geschürt, da die Jungen sich um ihre eigenen Renten sorgen und die Senioren sich vor Kürzungen, der doch bis anhin sicher geglaubten Rente fürchten. Vor diesem Hintergrund erscheint ein (weiterer) Leistungsabbau für die zukünftigen Rentner nicht nur unausweichlich, sondern auch gerecht, da nur damit der "sozialen Gerechtigkeit" genüge getan werden kann.
Prinzip der Solidarität
Ein Blick auf die erste Säule zeigt, dass hier das Prinzip der Solidarität die Grundlage für die Rentenzahlungen darstellt. Der Generationenvertrag besteht darin, dass die junge Generation den Grundbedarf an Altersvorsorge für die Senioren erbringt. Dies wird von vielen Menschen als gerecht empfunden, solange sie selbst als Rentner wieder von den Jungen unterstützt werden. AHV Beiträge werden nicht als Steuer gesehen, da die zukünftige Rente aus der 1. Säule als zeitverschobene Gegenleistung eingefordert wird. Eine genaue Aufrechnung der eingezahlten Beträge mit der potentiellen Rente bleibt völlig aus. Demographische Veränderungen führen nun dazu, dass die nächsten Generationen im Verhältnis zu den erwarteten Renten mehr Zahlungen leisten müssen, was als ungerecht empfunden wird.
Obwohl bereits viele Gutverdienende heute (zu) hohe Zahlungen in die 1. Säule leisten, wurde dies bisher nicht thematisiert. Erst jetzt, weil dieses gefühlte Missverhältnis immer mehr Personen betreffen kann, werden Reformen geplant, die im Wesentlichen Reduktionen von Leistungen und neue Finanzierungsquellen beinhalten. Letztendlich werden neue Einnahmequellen erschlossen, die nicht speziell die Jungen belasten, wie zum Beispiel die Mehrwertsteuer. Es wäre sogar möglich Renten zusätzlich zu besteuern, um einen direkten Ausgleich zu schaffen. Das gefühlte "neue" (Um-)Verteilungsproblem kann somit gelöst werden, die Frage bleibt bestehen, welche Grundrente sich die Schweiz in Zukunft leisten wird.
Generationenvertrag - keine Akzeptanz in der zweiten Sàule
Im Gegensatz zur ersten finanzieren sich die Rentner in der zweiten Säule prinzipiell selbst, wobei der Sparvorgang durch die Kapitalmärkte unterstützt wird. Dies schafft für jeden Rentner Unabhängigkeit, da die Altersversorgung nicht von Dritten aufgebracht werden muss. Diese Finanzierung ist nachhaltig, da prinzipiell die Jungen nicht mit den Renten der Alten belastet werden. Langlebigkeit und niedrige Zinsen erschweren die ausreichende Finanzierung und es wird anhand der Diskussionen deutlich, dass der in der ersten Säule akzeptierte Generationenvertrag in der zweiten Säule nicht akzeptiert ist. Hier erfolgt eine genaue Aufrechnung der Einzahlungen mit den erwarteten Renten.
Umso mehr ist es erstaunlich, dass keine gesicherten Informationen, ob die Selbstfinanzierung der Rentner durch kapitalisierendes Sparen ausreicht, vorhanden sind. Es handelt sich bei den meisten Hiobsbotschaften um ungesicherte Behauptungen. So werden Fehlbeträge mittels Hypothesen über zukünftige Renditen, die auf dem technischen Zinssatz beruhen und Annahmen über weitere zukünftige Steigerungen des Lebensalters geschätzt. Konkrete und individuelle Abrechnungen der Rentenkonten werden in der Praxis nicht erstellt und es existiert keine gesicherte Datenbasis der Pensionskassen in der Schweiz. Da die meisten Pensionskassen in den letzten Jahren deutlich höhere Renditen als den technischen Zins erwirtschaftet haben, ist zu vermuten, dass die vermuteten Fehlbeträge bis jetzt noch gar nicht entstanden sind. Ebenso ist es möglich, dass aktuell dann eine Umverteilung von Rentnern an Aktive vorliegt, wenn bereits stark reduzierte Umwandlungssätze eingeführt wurden.
Jedoch ist festzustellen, dass die Guthaben der Arbeitnehmer in den letzten Jahren von vielen Pensionskassen nur gering verzinst wurden. Dies obwohl die Renditen im Durchschnitt sehr attraktiv waren. Begründet ist dies zumeist durch negative Effekte, die durch Senkung des Umwandlungssatzes, des technischen Zins oder auch des Auffüllens der Wertschwankungsreserven entstehen. Hier handelt es sich um eine Leistungsreduktion der zukünftigen Renten für die Aktiven, die per se keine Umverteilung zwischen heutigen Rentnern und Aktiven darstellt. Die Frage ob die Finanzierung der existierenden Rentner ausreichend ist, ist nur unzureichend analysiert.
Fazit:
Solidariatäten bzw. Umverteilungen werden in der ersten und zweiten Säule sehr unterschiedlich beurteilt. Eine starke zweite Säule reduziert Umverteilungen. Für die zweite Säule ist eine genaue Analyse der Ist-Situation mit realen Renditen und Lebenserwartungen für die Rentner einzufordern, damit beurteilt werden kann, ob/inwieweit diese von den Aktiven finanziert werden. So sollte für jeden Rentner ein individuelles Konto bis zu seinem Tod geführt werden, damit klar ist, ob die zur Verfügung stehenden Mittel ausgereicht haben oder nicht. Dies ist die Grundlage für die zukünftige Planung, die sich (bisher) nicht auf Fakten, sondern auf Vermutungen abstützt.
Olaf Meyer: Stiftungsratspräsident Profond Vorsorgeeinrichtung
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.
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