Turnaround möglich? |
02.05.2022 22:17:00
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Netflix-Aktie unter Druck: Mit diesen Strategien könnte es der Streaming-Dienst aus der Krise schaffen
Die letzten beiden Quartalsberichte haben bei den Netflix-Aktionären für Entsetzen gesorgt. Vergangene Woche musste Netflix erstmals seit elf Jahren eine Abnahme der Abonnentenanzahl verkünden. Um die Wachstumsstory noch retten zu können, sind jetzt dringend neue Strategien der Unternehmensführung vonnöten.
• Günstigerer Tarif mit Werbung könnte neue Nutzer anlocken
• Die Monetarisierung der nicht zahlenden Passivnutzer ist ebenfalls eine Alternative
Über Jahre hinweg war an der Börse nicht die Frage, ob Netflix wachsen wird, sondern nur um wie viel Prozent. Folglich konnte der Aktienkurs des US-Streaminganbieters astronomische Steigerungen innerhalb weniger Jahre verbuchen: Anfang 2012 hatte eine Netflix-Aktie noch 15 US-Dollar gekostet, beim Rekordhoch vom 17. November 2021 lag sie bei 700,99 US-Dollar. Doch dann folgte ein rasanter Absturz nach zwei äusserst enttäuschenden Quartalsberichten.
Netflix: Wachstumspotenzial ausgereizt?
Die Anleger nahmen massenweise Reissaus nach Netflix' Quartalszahlen. Bereits der im Januar veröffentlichte Bericht des grössten Streamingdienstes der Welt schürte die Angst vor einem abnehmenden Wachstum. Besonders der steigende Konkurrenzdruck durch Amazon Prime, Disney+ oder Apple TV+ bereitete Netflix-Aktionären Sorge.
Die schlimmsten Befürchtungen sind dann in der letzten Woche eingetroffen: Erstmals seit 2011 sank die Anzahl an Netflix-Abonnenten - dieser Wert schrumpfte um 200'000. Zwar gingen allein 700'000 Bezahlkunden aus Russland infolge des Angriffes auf die Ukraine verloren, aber auch ein etwaiger Anstieg von 500'000 Kunden hätte weit unter der Erwartung von 2,5 Millionen neuen Abonnenten gelegen. Mindestens genauso erschreckend war der Ausblick: Für das nächste Quartal rechnet Netflix mit einem Verlust von 2 Millionen zahlenden Abonnenten, zum Quartalsende lag die Kundenzahl bei 221,6 Millionen.
Der dramatische Tauchgang der Netflix-Aktie
Die Quittung für das ausbleibende Wachstum kam prompt: Innerhalb eines Handelstages verloren die Netflix-Papiere mehr als 30 Prozent an Wert, auch der milliardenschwere US-Hedgefondsmanager Bill Ackmann stiess seine Netflix-Beteiligung im Wert von 400 Millionen US-Dollar ab. Selbst eine ansonsten übliche technische Gegenbewegung blieb in dieser Woche bislang aus. Somit notiert die Netflix-Aktie mit 190,36 US-Dollar (Schlussstand: 29. April 2022) mehr als 76 Prozent tiefer als noch beim Rekordhoch von vor gut einem halben Jahr. In diesem Zusammenhang fragen sich viele Börsianer, wie Netflix das extrem negative Sentiment aufhellen und einen Turnaround schaffen könnte. Zwei von "The Motley Fool" skizzierte Strategien könnten sich vorteilhaft auf die Bilanz des Streamingdienstes auswirken und dem Netflix-CEO Reed Hastings helfen, verlorenen Kredit wieder zurückzugewinnen.
Strategie I: Günstigerer Abo-Tarif mit Werbung
Als Reaktion auf die schwachen Zahlen äusserte das Netflix-Management Pläne, wonach der Streaminganbieter mit einer neuen Werbungsversion liebäugelt. Diese Version, die in ein bis zwei Jahren online gehen soll, werde günstiger sein als der Standardtarif, die geringeren Abo-Einnahmen würden wiederum durch Werbeeinnahmen ausgeglichen, wie "Moviepilot" berichtet. Die damit verbundene Hoffnung liegt in einer steigenden Nutzerzahl aufgrund einer geringeren Einstiegsbarriere. Wie "The Motley Fool" hervorhebt, ist jedoch fraglich, ob die Werbung dazu imstande sein würde, die geringeren Beitragsgebühren vollständig auszugleichen oder gar zu überkompensieren. Eine wichtige Kennziffer für die Beantwortung dieser Frage sind die durchschnittlichen Nutzungszeiten der werbefinanzierten Abonnements.
Eine weitere Gefahr liegt in einer potenziellen Kannibalisierung: Viele bislang vollzahlende Kunden könnten sich für die günstigere Werbeversion entscheiden. Dies würde zwar aller Voraussicht nach die Nutzerzahlen wachsen lassen - allerdings ist dann fraglich, ob sich dies positiv auf die Monetarisierung, die Umsätze und die Gewinne auswirkt. Zusammenfassend birgt die Einführung eines günstigeren Werbetarifs sicherlich einige Chancen, doch etwaige Gefahren dürfen vom Netflix-Management nicht übersehen und müssen - wenn möglich - abgemildert werden.
Strategie II: Eindämmung des Account-Sharings
Neben dem werbefinanzierten günstigeren Tarif könnte Netflix auch mittels einer zweiten Massnahme einen Wiederanstieg der Nutzerzahlen herbeiführen: mit der Eindämmung oder gar Unterbindung des Account-Sharings. Tatsächlich liegt der Anteil an Passwort-Mitnutzern nach eigenen Netflix-Aussagen bei ungefähr 100 Millionen Personen. Bislang ging Netflix immer sehr grosszügig mit diesen Trittbrettfahrern um, eine starke Kundenbindung und eine hohe Beliebtheit waren dem US-Konzern in der Vergangenheit wichtiger. Ausserdem wuchs der Streaming-Riese auch ohne das Anzapfen dieses per se grossen Potenzials.
Dies könnte sich angesichts der enttäuschenden letzten Monate aber nun ändern. Offenbar erwägt Netflix verschiedene Lösungen, wie man diese Schattenreserven monetarisieren kann. Eine Möglichkeit liegt in der Einholung von Zusatzgebühren, die bei einem mehrfachen Benutzen eines Accounts anfallen würden. Dies würde sich zwar nicht in einer erhöhten Nutzeranzahl widerspiegeln, aber die durchschnittlichen Einnahmen pro Account steigern. Eine alternative, deutlich striktere Strategie läge in der Unterbindung des Account-Sharings durch die Illegalisierung einer Mehrfachnutzung. Das Problem hierbei: Es ist unklar, ob die zuvor passiven Nutzer nun selbst ein Netflix-Abonnement abschliessen. Vielmehr besteht das Risiko, dass man auch bislang zahlende Nutzer dadurch verprellt; im Endeffekt könnte Netflix der grosse Verlierer einer solchen Illegalisierung der Mehrfachnutzung sein.
Auch diese zweite Strategie besitzt folglich beileibe nicht nur einige potenzielle Vorteile, sondern könnte im schlimmsten Fall die Krise von Netflix sogar weiter eskalieren lassen. Nur eine Einsicht kann als gesichert gelten: Ein "weiter so" dürfte fatale Folgen für Netflix haben, sofern der Streaminganbieter weiterhin als Growth-Story betrachtet werden will.
Redaktion finanzen.ch
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