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Macht-Wirrwarr 13.04.2017 20:29:00

Sika: Diese Szenarien gibt es in der Übernahmeschlacht mit Saint-Gobain

Sika: Diese Szenarien gibt es in der Übernahmeschlacht mit Saint-Gobain

Sika, Saint-Gobain, eine Eigentümerfamilie und ein Rechtsstreit - das sind die Zutaten für eine der längsten Übernahmeschlachten in Europa. Wie ist es überhaupt zu diesem Machtkampf gekommen? Und wie könnte die Lösung für die Aktionäre und das Unternehmen aussehen?

Seit Ende 2014 wehrt sich der Schweizer Bauchemiekonzern Sika gegen die Übernahme durch den französischen Mitbewerber Saint-Gobain. Was zunächst als mehr oder weniger alltäglicher Übernahmekampf daherkommt, ist auf den zweiten Blick nicht nur kompliziert, sondern auch ein echtes Macht-Wirrwarr.

Neben den beiden Unternehmen mischt nämlich auch noch die Sika-Eigentümerfamilie mit. Und ein Gerichtsentscheid spielt zusätzlich eine nicht unerhebliche Rolle. Ein Deal, der Aktionäre, Unternehmensführung und Eigentümer zufriedenstellen könnte, scheint derzeit nicht möglich. Oder doch? Mehrere Szenarien sind denkbar. Doch zunächst ein Blick zurück.

Sika-Management kämpft gegen Übernahme durch Saint-Gobain

Alles begann vor mehr als drei Jahren: Im Dezember 2014 kündigte die Saint-Gobain-Gruppe an, Sika für 2,75 Milliarden Franken mit einem indirekten Aktienkauf übernehmen zu wollen. Saint-Gobain hatte sich einen geschickten Plan zurechtgelegt, um die Macht bei Sika zu erlangen: Über den Kauf der Schenker Winkler Holding (SWH), die (auch heute noch) 16 Prozent des Aktienkapitals und 53 Prozent der Stimmrechte bei Sika hält, wollte das französische Unternehmen Einfluss gewinnen.

Die Sika-Leitung war darüber nicht wirklich erfreut und drohte mit Rücktritt; die Sika-Aktie stürzte ab. Saint-Gobain-Konzernchef Pierre-André de Chalendar bezeichnet die angestrebte Übernahme als Win-Win-Situation und zeigte sich überrascht vom Widerstand des Sika-Managements. So weit - so gut? Nein, denn jetzt wird es kompliziert.

Sika-Eigentümerfamilie Burkard forciert Übernahme

Hinter der SWH steckt die Gründerfamilie Burkard, die mit ihrer Stimmenmehrheit den Bauchemiekonzern kontrolliert. Im Gegensatz zum Sika-Management waren die Eigentümer einer Übernahme durch Saint-Gobain nicht abgeneigt. Im Gegenteil: Die Familie Burkard forcierte sogar ein mögliches Geschäft.

Bis heute lassen die Burkards an diesem Ziel keinen Zweifel aufkommen. Erst vor wenigen Tagen bekräftigten die Eigentümer zum wiederholten Mal ihren Wunsch nach einer Übernahme durch Saint-Gobain. Der französische Konzern sei "für Sika der richtige Partner", die Familie sei "weiterhin unbeirrt gewillt" den Kaufvertrag zu vollziehen. Die Transaktion sei sowohl für Sika als auch für Saint-Gobain sehr gut, betonte die Gründerfamilie in einer Mitteilung.

Die französische Gruppe erhofft sich vom Einstieg bei Sika Synergien, vor allem aufgrund der Nähe von Sikas Aktivitäten zum Geschäft der Franzosen. Konkret rechnet Saint-Gobain mit Synergien von 100 Millionen Euro im laufenden Jahr, ab 2019 schätzen die Franzosen das Synergiepotenzial auf 180 Millionen Euro jährlich.

Sika wächst wesentlich schneller als Saint-Gobain

Für die Position des Sika-Managements, die Übernahme verhindern zu wollen, gibt es auch gewichtige Gründe: Im Gegensatz zur Familie Burkard sollen die übrigen Aktionäre leer ausgehen, also keine Entschädigung für die (ungeliebte) Übernahme erhalten. Saint Gobain schloss mittlerweile ein Übernahmeangebot für alle anderen Aktien aus.

Außerdem hat sich der Kurs der Sika-Papiere vor der Ankündigung der Übernahme jahrelang deutlich besser entwickelt als der Aktienkurs von Saint-Gobain. Und, als wäre das nicht genug, wächst Sika noch wesentlich schneller als der Wettbewerber aus Frankreich.

Bislang wehrt sich Sika mit Erfolg gegen die feindliche Übernahme und erhält durch ein Gerichtsurteil aus dem Jahre 2016 Rückenwind. Demnach kann die Eigentümerfamilie zwar ihre Anteile an Sika in Höhe von 16 Prozent an Saint-Gobain übertragen, allerdings nicht die Stimmrechtsmehrheit - das verhindert die so genannte Vinkulierungsklausel in den Sika-Firmenstatuten. Dank der Vinkulierungsklausel hat der Sika-Verwaltungsrat das Recht, den Eintrag ins Aktienregister des neuen Eigentümers auf fünf Prozent aller Stimmrechtsaktien zu beschränken.

Familiensprecher Urs Burkard bezeichnet Übernahmeschlacht als Krieg

Wirtschaftsanwalt und Parteigutachter Peter Nobel wertet den Vertrag zwischen der SWH, in der die Sika-Aktien der Familie gebündelt sind, und Saint-Gobain als Missbrauch. "Denn darin ist festgehalten, dass man alle Verwaltungsräte, die sich gegen die Übernahme stellen, entfernen müsse, bevor es zu einem Abschluss kommt", sagt Nobel in einem Interview mit der Tageszeitung "Neue Zürcher Zeitung" (NZZ). Mit dieser "Anordnung" werde versucht, die Vinkulierung zu umgehen, so Nobel.

Zwischen der Firma und der Besitzerfamilie herrscht also eine Pattsituation, von einem Waffenstillstand kann aber nicht gesprochen werden. Beide Seiten bekräftigen zwar, dass sie zu Gesprächen bereit seien - allerdings nur unter Bedingungen, die sich gegenseitig ausschließen. Urs Burkard, der Sprecher der Familie, versuchte Anfang dieser Woche auf der Generalversammlung den Druck auf die Sika-Leitung wieder zu erhöhen. "Der Verwaltungsrat kann eine Schlacht gegen seinen Hauptaktionär gewinnen, aber niemals einen Krieg", warnte Burkard.

Kämpft die Eigentümerfamilie "bis zum bitteren Ende"?

Mehrere Szenarien sind für einen Friedensvertrag und einen Abschluss in dieser "Neverending Story" denkbar. Angeblich sind "eine Reihe von Leuten" bereit, "ihre Waffen runterzunehmen", sagt eine mit der Sache vertraute Person laut dem Wirtschaftsblatt "Handelszeitung". Es bestehe eine gewisse Chance, dass es im laufenden Jahr zu einer Lösung komme, heißt es weiter.

Eine Lösung könnte darin bestehen, dass Sika die Aktien der Eigentümerfamilie abkauft. Dank der großen Liquidität in der Unternehmenskasse könnte Sika einen ähnlichen Preis für den Anteil bieten wie Saint-Gobain. Nach der Generalversammlung ist dieses Szenario aber weniger wahrscheinlich geworden, schließlich pochen die Burkards auf Saint-Gobain als Käufer. Diesen Eindruck stärkt auch ein Insider: "Die Familie wird bis zum bitteren Ende durchhalten."

Angebot für die ganze Sika "ein Kraftakt"

Für das Spätjahr 2017 wird das Urteil des Obergerichts Zug erwartet. Die SWH hatte gegen den Entscheid des Kantonsgerichts Zug aus dem vergangenen Jahr rekurriert - möglicherweise werden so neue Voraussetzungen für die Übernahme geschaffen. Viele Beobachter rechnen allerdings damit, dass erst ein Schiedsspruch des obersten Schweizer Gerichts im kommenden Jahr zu einer Entscheidung führen könnte.

Setzen sich die Burkards doch noch vor Gericht durch, übernimmt Saint-Gobain die Macht im Konzern. Das hätte wohl unter anderem zur Folge, dass die Sika-Aktie abstürzt - die Investoren trauen dem Unternehmen unter Saint-Gobain-Führung weniger zu. "Wenn man das zu Ende denkt", sagt ein weiterer Insider laut "Handelszeitung", "kommt man zum Schluss, dass Saint-Gobain seinen Anteil (an Sika, Anm. d. Red.) erhöhen wird". Und Jupiter-Fondsmanager Cedric de Fonclare prophezeit, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis Saint-Gobain ein "Angebot für die ganze Sika" macht. Das sei allerdings "ein Kraftakt".

"Kriegsende" noch nicht absehbar

Die Zukunft für Sika bleibt in jedem Fall spannend - und kompliziert: Selbst wenn das Schweizer Unternehmen vor Gericht in letzter Instanz Recht bekommt, kann kaum dauerhaft Ruhe einkehren. Saint-Gobain wären die Schweizer dann zwar los, nicht aber die Familie als Hauptaktionärin.

Die Burkards dürften dann ihr Ziel weiterverfolgen und einen ihr genehmen Verwaltungsrat installieren. Möglicherweise suchen sie dann bald einen neuen Käufer. Angeblich komme dafür BASF infrage. Damit könnte der Verwaltungsrat dann vielleicht sogar leben, denn VR-Präsident Paul Hälg geht es nicht um die Unabhängigkeit von Sika, sondern um den Schutz der Minderheitsaktionäre. Bei einem Angebot für das gesamte Unternehmen ginge niemand leer aus - bis dahin geht der "Krieg" weiter.

Von Markus Gentner/Redaktion finanzen.ch

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Bildquelle: Keystone,Sika AG

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